Gibt es Teams an Schulen?
Das Kollegium von Lehrer*innen wird im Schulkontext häufig als Team bezeichnet. Schaut man genauer hin, finden sich in der Schule noch weitere Zusammenschlüsse, die als Teams bezeichnet werden, beispielsweise Jahrgangsteams, Klassenteams, Fachteams, Projektgruppen zur Schulentwicklung bis hin zu Austauschformaten zwischen Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern. Selbst die Schulleitung wird mitunter als „Leitungsteam“ bezeichnet.
Was ist denn nochmal ein Team?
Das ist an sich auch gar nicht verwunderlich: Teamarbeit ist in vielen Organisationen hoch im Kurs, „teamfähig“ zu sein gilt als wichtige, erstrebenswerte Fähigkeit jedes*r Einzelnen. Das täuscht jedoch darüber hinweg, dass der Begriff „Team“ häufig recht unscharf verwendet wird und nicht immer klar ist, was genau mit „Team“ und „teamfähig“ überhaupt gemeint ist. Wenn man unter „Team“ das allgemeine Miteinander von Menschen in einer bestimmten Organisationseinheit versteht, wird deutlich, warum der Begriff auf so unterschiedliche Kontexte angewendet werden kann: Auf eine elfköpfige Fußballmannschaft, eine zweiköpfige Jahrgangsleitung, eine einmal pro Halbjahr stattfindende Projektgruppe und ein Kollegium von 120 Lehrer*innen. „Wir sind (k)ein richtiges Team“ ist dann eine Aussage darüber, ob man sich grundsätzlich in dieser Organisationseinheit gut versteht.
Die Tradition der Organisationsentwicklung hat einen höheren Anspruch an Teams: Als Teams werden hier Einheiten verstanden, die mindestens
(1) an gemeinsamen Zielen mit gemeinsamer Verantwortung arbeiten,
(2) eine ausreichend klare Rollenaufteilung besitzen,
(3) in klaren gemeinsamen Prozessen zusammenarbeiten und
(4) stabile interpersonelle Beziehungen aufgebaut haben.
Ein gutes, konstruktives Miteinander ist also eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Wenn man genauer hinschaut, erfüllen die meisten Gruppen an Schulen, die als Teams bezeichnet werden, diese Kriterien noch nicht.
Braucht es denn immer ein Team?
Die Frage stellt sich natürlich, ob sie es müssen! Ob es ein „echtes“ Team in der Schule braucht, ist abhängig davon, was getan werden soll. Es gibt viele Aufgaben (z. B. die Korrektur von Klassenarbeiten), die schneller und effektiver von Einzelpersonen durchgeführt werden können. Andere Aufgaben benötigen nur regelmäßige Koordination und Abstimmung von ansonsten eigenverantwortlich durchgeführten Tätigkeiten. Auch hier braucht es kein Team im engeren Sinne. Was Teams besser leisten können, als andere Arbeitsformen ist die Bearbeitung von komplexen Aufgaben mit ungewissem Ausgang. Komplexität kann sich durch eine Vielzahl von abhängigen Entscheidungen, Interdisziplinarität, Ungewissheit etc. ergeben. Klar bei Teamarbeit ist, dass die differenzierte Lernbegleitung von jungen Menschen ohnehin eine komplexe Aufgabe ohne festes Lösungsschema darstellt.
Drei Beispiele illustrieren, wann es Teamarbeit in Schule unbedingt braucht:
- Ein bunt zusammengewürfeltes Schulentwicklungsteam erarbeitet für seine Schule längerfristig gemeinsam das Ziel, das Schulprogramm auf Digitalisierungsmaßnahmen umzuschreiben. Dabei werden Rollen für die Umsetzung dieser Aufgabe verteilt, in regelmäßigen Abständen gemeinsame Treffen abgehalten und die Meilensteine mit der Schulleitung reflektiert.
- Über ein Schuljahr hinweg arbeitet ein interdisziplinäres Jahrgangsteam daran, die Schüler*innengruppen des Jahrgangs durch ein abgestimmtes Vorgehen fachlich und sozial so fit zu machen, dass die Abschlussprüfungen und weitere Lebensplanung gelingen können. Die Arbeit eines Jahrgangsteams benötigt eine solide Steuerung, klare Aufgabenstellungen für die jeweiligen Treffen und konkrete Umsetzungshorizonte für Fach- und Klassenleitungspersonal.
- Ein Covid-19-Team unterstützt die Schulleitung darin, Vorgaben seitens des Landes zwischen dem jetzigen Zeitpunkt und den Sommerferien, aber auch darüber hinaus, für den individuellen Schulkontext anzupassen. Komplexe Fragestellungen der Unterrichtsorganisation, Kollegien-staffelung im Lehrer*innenzimmer, Informationsflüsse an Eltern, Zusammenarbeit mit Partner*innen in der Kommune und seitens des Landes werden vieler Orts von solch einem Gremium derzeit bearbeitet. So kann sichergestellt werden, dass die gesamte Schulgemeinschaft so geschlossen, abgestimmt und zuversichtlich wie möglich durch diese Zeit der Unsicherheit gehen kann.
Warum gibt es nicht überall an Schule „echte“ Teamarbeit?
Grundsätzlich gibt es also eine Vielzahl von Tätigkeiten, die sich auch in Schule besser in „echten“ Teams bearbeiten lassen. Unsere Befragungen von Schulen zeigen jedoch, dass häufig eben keine echten Teams sondern häufig eher energieraubende Arbeitsgruppen ohne hohe Ergebnisqualität zustande kommen. Wie kommt das? Wir identifizieren hier vier kulturelle Muster:
- Viele Lehrer*innen sind es gewohnt alleine zu arbeiten. Die Vorteile werden hier in dem hohen Maß der Selbstbestimmung und Gestaltungsmöglichkeit gesehen, die Angst vor „Fremdbestimmung“ ist zum Teil groß.
- Lehrer*innen sind es zwar gewohnt, mit Lernzielen zu arbeiten, eine gemeinsame, fachübergreifende Zielverständigung zu „Was wollen wir hier gemeinsam“ erreichen, findet jedoch in der Regel nicht statt.
- Die Interdisziplinarität, Stellenbeschreibungen und das Selbstverständnis der Lehrer*innen erschweren im Arbeitsalltag zum Teil auch das Entwickeln eines übergreifenden, gemeinsamen Verantwortungsgefühls.
- Die in der Regel einzeln durchgeführten Unterrichtsstunden mit der Möglichkeit zu Hause zu arbeiten verringert die gemeinsam verbrachte Arbeitszeit. Das erschwert die Bildung des Teams und den Aufbau tiefgehender, professioneller Arbeitsbeziehungen.
Was kann Schulen helfen, Teamarbeit zu nutzen?
Echte Teamarbeit bedeutet also mitunter einen Kulturwandel in der Schule. Um diesen anstoßen zu können,
kann zuerst geprüft werden, wo sich echte Teamarbeit lohnt und wo nicht. Dabei gilt die Daumenregel, dass die Entwicklung von Teamarbeit da erfolgsversprechend ist, wo heute eine Dringlichkeit und Unzufriedenheit in der Bearbeitung von komplexen Sachverhalten besteht. Nur mit einem gewissen Leidensdruck wird man die Kolleg*innen davon überzeugen können, sich ein Stückweit von den oben genannten kulturellen Mustern zu verabschieden.Dann gilt es die potenziellen Vorteile von Teamarbeit gemeinsam herauszuarbeiten und mit dem entstehenden Team in einen ganz bewussten Prozess einzusteigen, in dem Ziele, Rollen, Arbeitsprozesse und Beziehungen geklärt bzw. gestärkt werden. Dabei ist es aus unserer Sicht zentral, gemeinsam den Prozess regelmäßig zu reflektieren und bei Bedarf Veränderungen vorzunehmen.
Da sich Teamarbeit nicht verordnen lässt, empfiehlt es sich, bei einzelnen Teams anzufangen und auf deren Vorbildfunktion für vergleichbare Kontexte zu setzen. So können Schulen die Vorteile von „echter“ Teamarbeit Stück für Stück für sich nutzbar machen.