„Schule als Ort der Vielfalt“
So heißt das dreijährige Schulentwicklungsprojekt von Teach First Deutschland, welches in Zusammenarbeit mit IMAP zwischen Januar 2020 und Juni 2022 realisiert wird. Finanziert durch das Förderprogramm AMIF (Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds) werden hier Teilhabeformate für Neuzugewanderte an Schulen geschaffen. IMAP erarbeitet gemeinsam mit den Teach First Deutschland Fellows, der Schulleitung und den Lehrkräften ein Konzept, wie kulturelle Vielfalt in die Schulorganisation integriert werden kann. Durch eine auf Deutsch, Türkisch und Arabisch durchgeführte Umfrage konnten unsere Berater*innen den Status Quo der Elternarbeit an den Schulen ermitteln. Dabei wurden Lehrkräfte befragt, aber auch Schüler*innen und natürlich die Eltern selbst. Mehr Partizipation und Teilhabe ist nämlich nicht nur Ziel des Projekts, sondern auch eine wertvolle Quelle für Ideenvielfalt und für IMAP der entscheidende Baustein zur Entwicklung geeigneter Maßnahmen. Die Zukunftsarbeit an den Schulen fokussiert sich im ersten Projektteil insbesondere auf integrative Elternarbeit und kultursensible Berufsvorbereitung. Die hier entwickelten Ansätze werden als Beispiele guter Praxis mit anderen Standorten und Akteuren der Bildungsarbeit geteilt, um eine übergreifende, nachhaltige Weiterentwicklung des Schulalltages zu ermöglichen.
Die Bedeutung von Elternarbeit: „Elternarbeit ist die halbe Miete!“ (Lehrkraft)
An der Michel-Buck-Schule in Ehingen (Baden-Württemberg) einem der zehn ausgewählten Standorte – steht die Elternarbeit aktuell voll im Fokus. Ein enger Austausch zwischen Eltern und Lehrkräften ist wichtig für eine gezielte Förderung der Kinder – und damit für den Bildungserfolg. Im Idealfall bildet sich eine starke Allianz aus Elternschaft und Lehrkräften, die zum Wohl der Schüler*innen an einem Strang zieht. Das gilt es vor dem besonderen Hintergrund eines kulturell und sozial sehr diversen Schulumfelds zu unterstützen. Unter dem Stichwort Kultursensibilität startete die Michel-Buck-Schule Anfang des Jahres in die Erkundungsphase und führte gemeinsam mit IMAP zahlreiche Interviews mit Lehrkräften, Eltern und Schüler*innen durch, um zunächst möglichst viele Perspektiven auf- und Ideen zur kultursensiblen Elternarbeit einzusammeln.
Ausgestaltung der Elternarbeit: „Zur Elternarbeit bin ich zufällig gekommen.“ (Elternteil)
Aktuell findet viel Elternarbeit in klassischen Formaten wie Elternabenden, Treffen des Elternbeirates und Jour Fixe statt, aber auch ein paar außergewöhnliche Formate wie Elternmentor*innen und ein Elterncafé gibt es in Ehingen. Personen für die Elternvertretung zu finden, gestaltet sich dabei nicht immer einfach. Die Tendenz ist wie an vielen Schulen die, dass eine feste Elterngruppe sich durchgehend stark beteiligt, während viele andere Eltern kaum erreicht werden. Dies ist häufig in Relation zum sozialen und Bildungshintergrund zu beobachten, aber auch Sprachbarrieren spielen eine Rolle. Eltern von geflüchteten Kindern waren bisher beispielsweise gar nicht involviert. Und das trotz einer sehr engagierten Schulleitung und vielen Beispielen guter Zusammenarbeit von Lehrkräften, Sozialarbeitern und Eltern – da geht doch noch was?
Wahrnehmung der Rollen in der Elternarbeit: „Es liegt an uns, auf die Eltern zuzugehen und das Eis zu brechen.“ (Lehrkraft)
Die Lehrkräfte selbst haben sehr unterschiedliche Einschätzungen, führen insgesamt aber einen beachtlichen Anteil an einer erfolgreichen Elternarbeit auf ihren Einsatz zurück, insbesondere was das Initiative-Ergreifen angeht. Auf der anderen Seite sind aber Offenheit und Interesse der Elternteile ebenfalls unabdingbar, damit das Engagement nicht ins Leere läuft. Auf beiden Seiten wird sich geteilte Verantwortung und gegenseitige Anerkennung gewünscht. Die Schüler*innen schätzen die Rollen ihrer Eltern sehr pragmatisch ein. Sie kennen das Wissen und die Kompetenzen ihrer Eltern und wissen, was im beruflichen Rahmen für ein schulisches Engagement realistisch ist.
Kultursensibilität: „Es sind oftmals die Sprachprobleme, die es nicht leichter machen.“ (Elternteil)
Wertschätzung von Vielfalt und Offenheit im Miteinander werden an der Michel-Buck-Schule großgeschrieben. Die vorherrschende Willkommenskultur soll zukünftig noch weiter gestärkt und in der Kommunikation nach außen und an die Eltern verankert werden. Ein strukturell verankertes Vorgehen in der kultursensiblen Elternarbeit gibt es noch nicht. So ist die Nutzung von Dolmetscher*innen zielführend, doch das Netzwerk müsste noch ausgebaut werden. In der Elternvertretung und bei den Mentor*innen sind zudem die vielfältigen kulturellen Hintergründe der Schüler*innen noch nicht ausreichend repräsentiert. Kulturelle und religiöse Feste könnten außerdem stärker einbezogen und auch gemeinsam begangen werden.
Impulse zur Weiterentwicklung – Öffnung und Verbindlichkeit
Für eine Stärkung der kultursensiblen Elternarbeit und der Schule als Ort der Vielfalt kann zukünftig auf verschiedenen Ebenen angesetzt werden. Die Grundlage bildet ein übergeordnetes Leitbild, das in einem Workshop von Schul- und Elternvertreter*innen sowie den IMAP-Berater*innen gemeinsam erarbeitet wird. Rollenverständnis und Erwartungen werden so transparent und die Schule kann sich noch einmal deutlich für Vielfalt positionieren. Gerade Eltern, die mit der Elternarbeit noch nicht vertraut sind, können dabei außerdem erstmal die Möglichkeiten des Mitwirkens kennenlernen. Die Nutzung digitaler Tools, mehrsprachiger Kommunikation und informeller Angebote (z.B. Grillfeste) stärkt Zugangsmöglichkeiten und Motivation auf Seiten der Eltern. Außerdem können Eltern verstärkt selbst nach konkreten Wünschen und Bedarfen gefragt werden – beispielsweise über einfache Online-Umfragen. Eine gute Möglichkeit, um Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit herzustellen, ist zudem ein Vertrag zwischen Schüler*innen, Lehrkräften und Elternteilen zur Unterstützung des Kindes, der zu Beginn des Schuljahres unterzeichnet wird. Zu guter Letzt ist es wichtig, alle Parteien zu motivieren und die Entwicklungsorientierung zu stärken, indem zum Beispiel Elternteile nicht nur bei Herausforderungen kontaktiert werden, sondern auch positive Botschaften gemeinsam geteilt werden können. An der Michel-Buck-Schule mangelt es also nicht an Ideen. Und wir von IMAP freuen uns darauf gemeinsam mit Eltern, Schüler*innen und den Lehrkräften diese Potenziale zu entfalten.