Die Auswahl von neuen Mitarbeitenden gehört zum Alltag jedes Unternehmens dazu. Doch eine geeignete Person für eine offene Stelle zu finden, ist keine Leichtigkeit. Im Prozess der Personalauswahl gibt es Vieles zu beachten und leider auch falsch zu machen. Um Licht ins Dunkle zu bringen, führen wir mit diesem Blogbeitrag unsere Reihe „Personalauswahl – so geht’s richtig“ fort.
In unserem dritten Blogbeitrag beschäftigen wir uns mit dem Ansatz des Jobcraftings. Hierfür haben wir Prof. Bianca Ksienzyk-Kreuziger interviewt, eine ausgewiesene Expertin für Personalauswahl und Jobcrafting.
Aus unseren ersten zwei Blogposts wissen wir bereits einiges über Personalauswahl und eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis. Auch heute haben wir uns mit Bianca in unserem digitalen Büro getroffen. Die Professorin für Psychologische Diagnostik und Intervention verfügt über 15 Jahre Berufserfahrung in der Eignungsdiagnostik. Sie beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, unter welchen Bedingungen Menschen ihre Stärken am besten entwickeln können – auch am Arbeitsplatz. Darüber hinaus begleitet Sie verschiedenste Organisationen bei der Personalauswahl und ist als Coach tätig. Ihre Leidenschaft ist die Positive Psychologie, in der es um die wissenschaftliche Untersuchung der Grundlagen eines „guten Lebens“ geht.
Hallo Bianca, vielen Dank, dass wir Dich wieder bei uns begrüßen dürfen. In unseren ersten beiden Interviews hast Du uns bereits erklärt, warum Personalauswahl relevant ist und welche konkreten Empfehlungen Du für eine erfolgreiche Personalauswahl in der Praxis gibst. Heute steigen wir in das Thema Jobcrafting ein. Was genau versteht man unter Jobcrafting?
Im klassischen Sinne ist unter Jobcrafting die selbst initiierte Gestaltung der Arbeit zu verstehen. Die Ursprungsautoren Wrzesniewski und Dutton[1] haben 2001 den Begriff geprägt und verstehen darunter die persönliche Auseinandersetzung mit der Anzahl beziehungsweise dem Umfang der Arbeitsaufgaben, der kognitiven Bedeutungszuschreibung der Arbeit und der sozialen Beziehungsgestaltung im Arbeitsprozess. In ihrem Sinne sollten Menschen sich darüber Gedanken machen, wie sie ihre Arbeit idealerweise gestalten wollen. Es handelt sich also um einen Ansatz aus den USA und für mich impliziert er den amerikanischen „Way of Life“ – vom Tellerwäscher zum Millionär.
In unseren Kontext heißt für mich Jobcrafting, dass Mitarbeitende und Führungskräfte mit Hilfe von regelmäßigen Gesprächen gemeinsam die Arbeit des Arbeitnehmenden gestalten. Dabei sollte es immer darum gehen, dass interessierte Mitarbeitende ihre Potenziale entsprechend der Unternehmensziele bestmöglich einbringen können. Ein Beispiel macht das vielleicht nochmal greifbarer: Eine langjährige Mitarbeiterin einer Kindertagesstätte ist in ihrer Freizeit im Hockeyverein aktiv. Sie kann andere für den Verein begeistern und ist sehr erfolgreich in der Planung und Umsetzung von besonderen Aktionen. Gelingt es in Absprache mit der Leitung, dass sie ihr gewinnendes Wesen, ihre Verbindlichkeit und ihre Kreativität auch in der Kindertagesstätte, z.B. in der Elternarbeit oder bei der Planung von gesonderten Projekten, verstärkt und gezielt einbringen kann, spricht man von gelungenem Jobcrafting.
Es geht also um die Gestaltung der eigenen Arbeit in engem Austausch mit der eigenen Führungskraft. Und was würdest Du sagen, weshalb ist Jobcrafting aus Deiner Sicht ein relevanter Ansatz? Welcher Mehrwert kann für Organisationen entstehen?
Der Ansatz ist sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsförderung interessant als auch mit Blick auf die Attraktivität von Arbeitgebern und Mitarbeitendenbindung. Idealerweise werden schon mit Eintritt in eine neue Organisation oder Abteilung die Weichen so gestellt, dass sich Mitarbeitende im Sinne der Unternehmensziele entfalten können. Es gibt erste metaanalytische Daten, die belegen, dass Motivation und Zufriedenheit auf Seiten der Mitarbeitenden gefördert werden und ebenso, dass die Fluktuation tendenziell geringer ist, wenn Jobcrafting Bestandteil der Unternehmenskultur ist[2]. Es dürfte nicht zu hoch gegriffen sein, dass sich dadurch für Organisationen und Unternehmen ein entscheidender langfristiger Wettbewerbsvorteil im Ringen um die größten Talente ergibt.
Was würdest Du Organisationen empfehlen, wie sie diese Chancen mit Hilfe von Jobcrafting in der Praxis nutzen können?
Es gibt mehrere Möglichkeiten: Einerseits können Mitarbeitende ermutigt werden zu überlegen, wie sie ihre Arbeit noch potenzialorientierter gestalten könnten. Dabei besteht jedoch das Risiko, dass unternehmerische Ziele nicht ausreichend im Blick behalten werden. Deswegen wäre meine Präferenz in der Umsetzung, dass Führungskräfte und Mitarbeitende regelmäßig zur Gestaltung der Arbeit ins Gespräch kommen. Es sollte im Austausch um die Stärken der Mitarbeitenden gehen und wie sie diese Stärken im Sinne der Unternehmensziele einbringen können. Zusammen mit Studierenden der Wirtschaftspsychologie ist in den letzten Semestern ein Jobcrafting-Tool entstanden, das nun erprobt wird. In der Vorbereitung machen sich Mitarbeitende und Führungskräfte zu den persönlichen Stärken der Mitarbeitenden Gedanken, ebenso zum Umfang und zum Befriedigungspotenzial der Arbeitsaufgabe sowie zu den berufsbegleitenden Emotionen. Auf dieser Grundlage können sie dann gemeinsam überlegen, welche Potenziale bei der Gestaltung der Aufgabe, der Beziehungen etc. noch freigesetzt werden können. Auch hier soll ein Beispiel wieder deutlich machen, wie das Ganze in der Praxis aussehen könnte. Denken wir zurück an die Erzieherin. Sie könnte mit ihrer Vorgesetzten vereinbaren, dass sie für die Umsetzung einer Projektwoche lokale Akteure akquiriert, die aktuell nicht für alle Kinder erschwingliche Angebote unterstützen. Das Ziel des Kindergartens für mehr Gleichheit und Teilhabe aller Kinder kann so leichter erreicht werden. Eine andere Erzieherin könnte den Wunsch haben, das soziale Miteinander im Team zu stärken, was allzu oft im täglichen Trubel untergeht. Sie vereinbart, mit ihrer Vorgesetzten Lösungen im kommenden Teammeeting vorzuschlagen, die dann auf ihre Umsetzbarkeit im Alltag geprüft werden.
Der Austausch findet insbesondere im Anstellungsverhältnis statt. Wie können Organisationen den Jobcrafting Ansatz in ihre professionelle Personalauswahl einbinden?
Die metaanalytischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass Jobcrafting seine positiven Wirkungen vor allem bei Mitarbeitenden entfalten kann, die noch nicht so lange in der Organisation arbeiten. Von daher sollten Bewerbende und zukünftige Vorgesetzte schon im fortgeschrittenen Prozess der Personalauswahl dazu ins Gespräch kommen. Es geht darum zu prüfen, welche Rahmenbedingungen die neue Aufgabe mit sich bringt und wie groß die Schnittmenge zu den Bedürfnissen, Werten und Zielen des*r potenziellen neuen Mitarbeitenden ist. Je größer die Schnittmenge ist bzw. je mehr Gestaltungsspielraum gegeben wird, um die Schnittmenge größtmöglich zu gestalten, desto besser ist es für beide Seiten. Um hierzu Erkenntnisse zu sammeln, bieten sich zum Beispiel fundierte testpsychologische Verfahren zur Ermittlung von Charaktereigenschaften und Werten, gezielte Interviewfragen und die Verwendung einer realistischen Tätigkeitsvorschau in den Auswahlgesprächen an.
Herzlichen Dank für Deine Einblicke in die Welt des Jobcraftings und wie dieser Ansatz in dem Alltag von Organisationen gewinnbringend eingesetzt, Bianca. Wir bei IMAP teilen Deine Beobachtungen und Überlegungen.
Professor Bianca Ksienzyk-Kreuziger ist Professorin für Psychologische Diagnostik und Intervention und verfügt über 15 Jahre Berufserfahrung in der Eignungsdiagnostik: https://www.arbeitgestalten.org/
[1] Wrzesniewski, A. & Dutton, J. (2001). Crafting a Job: Revisioning Employees as Active Crafters of Their Work. Academy of Management Review. 26. 179-201. 10.2307/259118.
[2] Rudolph, C. W., Katz, I. M., Lavigne, K. N., & Zacher, H. (2017). Job crafting: A meta-analysis of relationships with individual differences, job characteristics, and work outcomes. Journal of Vocational Behavior, 102, 112–138. https://doi.org/10.1016/j.jvb.2017.05.008.