Die aktuelle Situation um die Covid-19 Krise herum geht mit unerwarteten Veränderungen im Arbeitsalltag einher – allen voran ein sprunghafter Anstieg der Arbeit aus dem Homeoffice. Während zuvor etwa ein Achtel der Erwerbstätigen ganz oder teilweise am Heimarbeitsplatz tätig war, sind es nun ein Viertel der 45 Millionen Erwerbstätigen, die regelmäßig von zu Hause arbeiten. Diese Anzahl erscheint umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass zahlreiche Tätigkeiten wie die eines*r Krankenpfleger*in oder eines*r Elektrikers*in für eine Arbeit im Homeoffice ungeeignet sind. Auch auf politischer Ebene gewinnt das Thema an Bedeutung: Arbeitsminister Heil brachte jüngst einen Vorschlag für ein gesetzliches Recht auf Homeoffice ins Gespräch, was von 64 % der Deutschen befürwortet wird. Wenngleich erhöhte Flexibilität und Gestaltungsspielraum Chancen bieten, bringt die Umstellung jedoch auch Stolperfallen mit sich, denen es zu begegnen gilt.
Auf individueller Ebene sind – wie in unserem ersten Blogpost zu diesem Thema beschrieben – für erfolgreiches Arbeiten im Homeoffice 5 Dinge besonders wichtig:
- das Arbeitsumfeld bewusst zu gestalten,
- einen eigenen Rhythmus zu finden,
- Unterstützung und Kollaboration im Team zu erhalten,
- Selbstorganisation umzusetzen
- und sich Pausen zu gönnen.
Die individuelle Gestaltung der Arbeit am heimischen Schreibtisch bildet eine wichtige Grundlage für ein erfolgreiches Umsetzen von Aufgaben. Für die Zusammenarbeit im Team ergeben sich im Homeoffice jedoch noch einmal andere Anforderungen. Viele Dinge, die in einem Bürokontext ganz selbstverständlich sind – wie spontane Absprachen und Meetings, feste Arbeits- und Pausenzeiten, informeller Austausch und der Blick aufs Gesamtteam sind in der Zusammenarbeit auf Distanz plötzlich so nicht mehr gegeben. Gerade das Wegfallen informeller Zusammenkünfte wird für die emotionale Zufriedenheit wie auch für den aufgabenbezogenen Informationsfluss aus unserer Erfahrung häufig als Belastung wahrgenommen – ganz gleich ob alle Teammitglieder oder nur einige von ihnen im Homeoffice tätig sind. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team ist es daher unumgänglich, sich bewusst den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Um dafür gerüstet zu sein, haben wir die wichtigsten Aspekte aus unserer Praxis als 4 Ebenen der erfolgreichen Teamarbeit auf Distanz zusammengestellt:
Die Beziehungsebene stärken – Teamgemeinschaft gestalten
Grundgerüst eines jeden Teams sind die Beziehungen der Mitglieder zu einander. Damit ist die Beziehungsebene für die Arbeitszufriedenheit wie für die Aufgabenerledigung essenziell, doch durch den Wegfall von Face-to-Face-Kontakt leidet diese bei Zusammenarbeit auf Distanz häufig besonders. Hier kann man bewusst gegensteuern, indem freiwillige digitale Teamaktivitäten, wie ein gemeinsamer Spielabend oder eine Weinprobe angeboten werden. Auch informelle Austauschformate wie gemeinsame Mittagspausen, eine Teeküche oder „Flurgespräche“ lassen sich mittels Videocalls leicht aus dem Bürokontext in die Distanzsituation überführen. Die Gespräche über Wochenendpläne, Projekte oder ein kurzes „Wie geht’s?“ bringen mehr Gemeinschaft in den Arbeitstag und halten das Team zusammen. In fest terminierten Meetings kann und sollte außerdem der persönliche Austausch, gerade zu Beginn des Gesprächs, bewusst zugelassen werden. Das Ankommen und Austauschen erfüllt eine wichtige Funktion für das Team und stärkt nicht nur emotional, sondern kann auch den weiteren Verlauf des Meetings effektiver machen!
Strukturen und Prozesse anpassen – auf der Sachebene steuern
Demgegenüber steht die Sachebene der Teamarbeit, die bei der Tätigkeit aus dem Homeoffice ebenfalls Beachtung verdient, denn die existenten Abläufe zur Erledigung von Aufgaben und der Zusammenarbeit müssen angepasst werden. Die Neugestaltung sollte insbesondere auf einer Reflexion der Bedarfe der aktuellen Situation basieren, d.h. Aufgaben und Ziele werden nach den Fragestellungen: „Was geht gerade gut?“ und „Was braucht aktuell länger?“ evaluiert. Auf dieser Grundlage können den aktuellen Rahmenbedingungen entsprechend Aufgaben (neu)verteilt und Ziele realistisch angepasst werden. Um schneller reagieren zu können und lange Entscheidungswege zu vermeiden, empfiehlt es sich außerdem, Prozesse und Verantwortlichkeiten stärker zu dezentralisieren. Auf der Strukturebene werden bei der Zusammenarbeit auf Distanz die Teammeetings zum „Herzstück“. Wenn alle Teammitglieder zusammenkommen entsteht ein wichtiger Raum für fachlichen und informellen Austausch. Für größtmögliche Beteiligung und Effektivität bieten sich die kollaborative Vorbereitung und eine klare Rollenverteilung an (z.B. Moderator, Protokollant, …) an. Ein Check-In mit der Frage „Wie komme ich heute in das Meeting herein? Was erwarte ich mir?“ ermöglicht einen gemeinsamen Einstieg, bei dem sich jede Person inhaltlich wie persönlich gehört fühlt.
Kommunikation (neu-)gestalten – zielgerichteten Austausch etablieren
Das schnelle Nachhaken am Tisch nebenan, das Fragen in die große Runde und auf einen Blick erkennen, wer ansprechbar und erreichbar ist – das ist auf Distanz so nicht mehr möglich. Für eine gelungene Kommunikation müssen deshalb klare Strukturen und passgenaue Kanäle etabliert werden. E-Mails, Gruppenchats, Videokonferenzen und Telefonate können für unterschiedliche Zwecke genutzt werden. So bietet sich für kürzere Abstimmungen zwischendurch ein Teamchat an, während längere konzeptionelle Meetings per Videokonferenz am besten gelingen. Wichtig ist, dass jede Person im Team weiß, welcher Kanal für welche Inhalte genutzt werden soll. So wird sichergestellt, dass Informationen stets diejenigen erreichen, die diese benötigen. Festzuhalten bleibt: die Zusammenarbeit auf Distanz ist oft ungewohnt, sodass die Gestaltung der Teamarbeit ein stetiger Lernprozess ist. Wichtig ist dabei ein stetiges Reflektieren und Anpassen, damit die Kollaboration kontinuierlich verbessert wird. Hier bieten sich gemeinsame Prozessreflexionen, Feedbackrunden oder Kurzumfragen an, um einen Austausch zu den Veränderungen und der Gestaltung der Teamarbeit zu etablieren und Bedarfe frühzeitig zu erkennen.
Transparenz schaffen – Effizienz stärken
Mit weniger informellem Austausch und ohne den Blick auf das Gesamtteam im Büro ist es schwieriger zu erkennen, wie es um Auslastung und Aufgabenverteilung bei den Kolleg*innen steht. Um effektiv an einem Strang ziehen zu können, sollte ein besonderes Augenmerk auf der Schaffung von Transparenz liegen. Hier hilft die Sichtbarmachung von Aufgaben und Tätigkeiten, z.B. über eine virtuelle Aufgabenlandkarte, gemeinsame To-Do-Listen oder ein Kanban-Board. Je nach Erfordernissen kann auch die Verabredung gemeinsamer Arbeitszeiten oder ein regelmäßiges Teamupdate am Morgen förderlich sein. Ein Erfahrungsaustausch mit anderen Teams zu Schnittstellen und Prozessen erhöht zusätzlich die Transparenz, sodass einer flexiblen, zielgerichteten Kollaboration nichts mehr im Wege steht!
Abschließend bleibt festzuhalten: Die Tätigkeit im Homeoffice ist eine grundlegend andere Arbeitsweise. Daher braucht es eine angepasste Gestaltung der Arbeit – auf individueller Ebene wie auch im Team. Nur indem Individuum und Gruppe die Zusammenarbeit auf Distanz bewusst (um)gestalten, kann diese nachhaltig gelingen. Dabei gilt für eine überwältigende Mehrheit der Organisationen in Deutschland, dass diese Form des Arbeitens neu und ungewohnt ist. Aus diesem Grund sollte ein besonderes Augenmerk auf Prozessreflexion und Feedback liegen. Denn Homeoffice im Team bietet zahlreiche Potentiale, die gemeinsam ausgeschöpft werden können.