In Zeiten der Corona-Pandemie wurde erneut spürbar, wie relevant viele oft unsichtbare Berufe für das alltägliche Leben sind - Beschäftigte in der Lebensmittelbranche oder medizinische Fachkräfte sind „systemrelevant“. Dies gilt insbesondere für Beschäftigte in der Alten- und Krankenpflege. Mit Blick auf die hohe Relevanz ihrer Tätigkeit zeigen sich auch drängende Herausforderungen in der Branche. Allen voran ist hier der hohe Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu nennen, denn: Die deutsche Bevölkerung altert zunehmend. Nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes[1] werden 2060 über 20 Prozent der Menschen älter als 67 Jahre sein – und damit steigt auch die Anzahl an Personen mit Pflegebedarf. Um die Lücken im Personalbedarf zu schließen werden vermehrt Pflegekräfte aus dem Ausland angeworben.
Herausforderungen und Bedarfe vor Ort
Mit dem Förderprojekt „Leuchttürme der Pflege“ unterstützt IMAP 20 Piloteinrichtungen bei der Integration dieser Mitarbeitenden und leistet damit einen Beitrag zur langfristigen Stärkung der Branche. Ziel ist es, ein Klima der interkulturellen Offenheit und Wertschätzung zu verankern – von den Bewohner*innen über die Pflegekräfte bis zur Leitungsebene. Gefördert wird Projekt „Leuchttürme der Pflege“ durch den europäischen Asyl-, Migrations-, und Integrationsfonds sowie das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Mit einer Online-Umfrage, an der 140 Personen aus den 20 Einrichtungen teilnahmen, konnten spannende Erkenntnisse zu den Herausforderungen und Bedarfen vor Ort gewonnen werden.
Pflegeeinrichtungen als Orte der Interkulturalität
Pflegeeinrichtungen sind bereits heute durch Interkulturalität geprägt: Im Juni 2019 verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit 82.000 ausländische Pflegekräfte in Deutschland, was einen Anteil von knapp 14 Prozent ausmacht – Tendenz weiter steigend.[2] Hinzu kommen Beschäftigte mit deutscher Staatsangehörigkeit und eigener Migrationsgeschichte. In unsere Umfrage gaben nahezu 50 % der Teilnehmenden an, dass mehr als die Hälfte der Pflegekräfte in ihrer Einrichtung über eine Migrationsgeschichte verfügt. Auch auf Seiten der Bewohner*innen gewinnt Interkulturalität an Bedeutung – auch hier steigt der Anteil an Menschen mit Migrationsgeschichte.
Ausländische Pflegekräfte anwerben? Integrationsprozesse sensibel begleiten!
Die erste Hürde besteht darin, Pflegekräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Ist dieser Schritt geschafft, ist das nächste Ziel, die neuen Mitarbeiter*innen angemessen einzuarbeiten und langfristig an die Organisation zu binden. Dabei erscheint das Fehlen des bekannten sozialen und kulturellen Umfeldes als große Belastung – über 70 % der Befragten bewerten dies als eher starke bis sehr starke Herausforderung. Auch die damit verbundene Anpassung an eine neue Kultur und Lebensweise sowie eine mangelnde Integration in Freizeit und Privatleben werden durch 60 % entsprechend bewertet. Im Arbeitsalltag können vor allem mangelnde Sprachkenntnisse, aber auch die unterschiedlichen kulturellen Prägungen für Herausforderungen in der Zusammenarbeit sorgen. In der Umfrage zeigt sich, dass dies das Berufs- und Pflegeverständnis genauso betrifft wie die Kommunikation mit Angehörigen oder die Arbeitsorganisation.
Daher ist es aus unserer Sicht essenziell, die fachliche wie soziale Integration aktiv vor Ort zu gestalten und sensibel zu begleiten. Insbesondere in der Zusammenarbeit im Team sind gelingende Kommunikation und gegenseitiges Verständnis von großer Bedeutung. Im Mittelpunkt steht dabei nicht nur ein erfolgreicher Umgang mit Herausforderungen, sondern auch das Ausschöpfen vorhandener Potenziale: Fremdsprachenkenntnisse, eine erhöhte interkulturelle Sensibilität sowie Unterschiede in der beruflichen Sozialisation bewertet eine Mehrheit der Befragten als gewinnbringend für die Pflegeeinrichtungen.
Wie geht es weiter?
Die Ergebnisse unserer Online-Umfrage erbrachten zahlreiche weitere Erkenntnisse mit Blick auf die Herausforderungen und Potenziale der Beschäftigung von ausländischen Pflegekräften. Detaillierte Auswertungen und weiterführende Informationen können Sie der folgenden Broschüre entnehmen:
Ein Auszug der Ergebnisse wird außerdem in der September-Ausgabe der Fachzeitschrift „Die Schwester | Der Pfleger“ veröffentlicht.
In den nächsten zwei Jahren begleitet und berät IMAP im Rahmen des Projektes die Pilotstandorte in den Bereichen Integration und interkulturelle Öffnung, um den Herausforderungen vor Ort angemessen zu begegnen. Dabei kombiniert IMAP die individuelle Weiterentwicklung des jeweiligen Standortes mit einrichtungsübergreifenden Schulungen und Workshops.
[1] Statistisches Bundesamt (2019). Bevölkerungsvorausberechnung – Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung. Online https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsvorausberechnung/Tabellen/variante-1-2-3-altersgruppen.html [26.06.2020].
[2] Agentur für Arbeit (2020). Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich. Online https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Berufe/generische-Publikationen/Altenpflege.pdf [26.06.2020].