Verschiedene Formen von Bürgerbeteiligungsverfahren sind in vielen deutschen Kommunen schon zu einem festen Bestandteil von übergeordneten Entscheidungsprozessen geworden. Daraus ergibt sich für viele Verwaltungen die große Herausforderung, Bürgerbeteiligungsverfahren erfolgreich zu gestalten.
Diesen Umstand haben sich unsere Berater*innen Sarah Perry und Johannes Groß zum Anlass genommen, um am 23. November ein Webinar zu dem Thema: „Gewusst wie – Bürgerbeteiligung erfolgreich gestalten“ abzuhalten. 83% der Teilnehmenden des Webinars kamen aus der Verwaltung. Unter ihnen bestand nahezu Einigkeit: Bürgerbeteiligung ist – insbesondere auf kommunaler Ebene – eine große Chance, um Bürgernähe zu schaffen, in der Umsetzung stellt sie die Verwaltungsmitarbeitenden allerdings auch vor große Herausforderungen.
Chancen durch Bürgerbeteiligung
Gelungene Beteiligungsprozesse sind mit vielen Vorteilen für die Politik und Bürger*innen verbunden: Bürger*innen fühlen sich gehört und durch die Einbringung ihrer Ideen können bürgernahe politische Ergebnisse erarbeitet werden. Darüber hinaus erhöht sich die Akzeptanz von politischen Entscheidungen in der Bevölkerung, auch wenn sich nicht die Wünsche einer*s jeden Bürger*in in dem Endergebnis widerspiegeln.
Herausforderungen von Bürgerbeteiligung
Trotz der Chancen, die durch die Einbindung der Bürger*innen entstehen, verlaufen Beteiligungsprozesse oft konfliktreich. Stuttgart 21 ist nur ein prominentes Beispiel. Unser Moderationsteam fragte die Teilnehmenden nach ihrer größten Herausforderung in der Praxis: Das Erreichen sogenannter „stiller“ Gruppierungen. Häufig kristallisieren sich im Bereich der Partizipation dieselben Gruppierungen heraus, die sich immer wieder beteiligen. Eine Partizipation auf allen sozialen Ebenen zu erreichen, ist jedoch schwer. So zum Beispiel auch aus dem Bereich der Integration, die die Förderung der Partizipation von Geflüchteten und Migrant*innen thematisiert. So müssen Möglichkeiten gefunden werden den „stillen“ Gruppen Zugang zu ermöglichen und Hürden wie Sprachbarrieren oder die Tatsache, dass das Konzept der Partizipationsprozesse für die jeweilige Zielgruppe an sich fremd ist, zu überwinden.
3 Tipps für gute Bürgerbeteiligung
1. Ressourcen
Menschen beteiligen sich nicht, weil sie es nicht können. Ihnen fehlt es an den notwendigen Ressourcen wie Geld, Zeit oder Bildung. Deswegen sollten Bürgerbeteiligungsverfahren niedrigschwellig organisiert werden. Um möglichst vielen Menschen den Zugang zu ermöglichen, sollten mehrere Termine zur Verfügung gestellt werden, so dass z. B. Berufstätige sowie Personen mit kleinen Kindern gleichermaßen teilnehmen können. Bezüglich der Wahl des Veranstaltungsortes ist es hilfreich, sich über die Zielgruppen klar zu werden. Für manche Menschen kann es abschreckend sein, ins Rathaus zu kommen; für Menschen, die der Institution Kirche nicht nahestehen, kann es hingegen problematisch sein, in eine christliche Wirkungsstätte zu kommen.
2. Motivation
Fehlende Motivation kann ein weiterer Faktor für Mangelnde Beteiligung sein. Ein geringes Vertrauen und Interesse in die Politik münden oft in fehlender Motivation. Wenn aber ganz konkret aufgezeigt wird, wie die geplanten Veränderungen die Lebensqualität der Bürger*innen positiv beeinflussen, hat dies wiederum einen positiven Effekt auf die Motivation. Die betroffenen Zielgruppen sollten wissen, dass sich ihre Stimme einen Wert hat.
3. Ansprache
Viele Menschen wissen nicht, dass es in ihrer Kommune Verfahren zur Bürgerbeteiligung gibt. So ist es wichtig, Bürger*innen persönlich und explizit um ihre Beteiligung an dem Beteiligungsvorhaben zu bitten. Für die Einbindung schwer erreichbarer Gruppen erweist sich diese Art der Ansprache häufig als zielführend. Als Veranstalter*in sollte man auf die eigene Diversität achten, sofern diverse Zielgruppen angesprochen werden sollen. So gab es das Beispiel einer Teilnehmerin, dass bei der Ansprache muslimischer Frauen, möglichst auch muslimische Frauen bei der Durchführung von Bürgerbeteiligungsverfahren eingebunden werden, um zielgruppengerecht agieren zu können.
Vorteile digitaler Bürgerbeteiligung
Eine weitere Herausforderung sahen die Teilnehmenden darin, dass aufgrund der aktuellen Pandemielage derzeit keine Präsenz-Veranstaltungen möglich sind und kommunale Datenschutzbestimmung digitale Beteiligungsprozesse oftmals erschweren.
Dabei ergeben sich aus dem digitalen Format der Bürgerbeteiligung einige Vorteile: Es besteht nicht nur eine Unabhängigkeit von Ort und Zeit, die eine ressourcenarme und flexible Beteiligung ermöglicht. Sofern technische Anforderungen stimmen, lässt sich dir Organisation von digitalen Beteiligungsverfahren vergleichsweise unkompliziert und schnell regeln. Ebenfalls lassen sich schwer erreichbare Zielgruppen besser einbinden, wie junge und viel beschäftigte Menschen. Das digitale Format bietet Raum für Interaktion und Kommunikation zwischen den Personen und macht es „stillen“ Gruppen häufig leichter, ihre Beiträge zu platzieren. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der automatischen Dokumentation, die die Beteiligung öffentlich und transparent macht und es Bürger*innen ermöglicht, sich später in den Partizipationsprozess zuzuschalten.
Ob ein analoges oder digitales Bürgerbeteiligungsformat gewählt wird, hängt von der jeweiligen Zielgruppe ab. Um möglichst viele Bürger*innen zu erreichen, sind Mischformen denkbar.
Fazit
Insgesamt konnte der Austausch zwischen den Teilnehmenden gut zeigen, dass sich der hohe Aufwand bei der Organisation von Beteiligungsverfahren lohnt – insbesondere auch bei der Einbindung schwer erreichbarer Zielgruppen. Einmal eingebunden, bleiben die Menschen zumeist im weiteren Verlauf der Beteiligungsverfahren aktiv und partizipieren auch eher bei anderen Gelegenheiten.