Wenn Mitarbeitende nicht an einem Ort, sondern unter anderem virtuell miteinander arbeiten, dann stellt das vor allem Führungskräfte vor besondere Herausforderungen. Durch die Umstände der Corona-Krise arbeitet ein Großteil der Mitarbeitenden in Deutschland von Telearbeitsplätzen aus – oftmals ungeplant und durch die aktuelle Situation „erzwungen“. Viele Führungskräfte stellen jetzt fest, dass sie ihre Aufgaben anders umsetzen müssen. Es tauchen viele Fragen auf:
- Wie schaffe ich Rahmenbedingungen, die trotz dezentraler Arbeitsweise das Bedürfnis der Mitarbeitenden nach Kontakt und Kommunikation befriedigen?
- Wie gehe ich als Führungskraft mit dem Kontrollverlust um und stelle sicher, dass die Leistung der Mitarbeitenden transparent gemacht wird?
- Wie schaffe ich trotz dezentralem Arbeiten ein Teamgefühl?
Folgende Denkanstöße können Führungskräften helfen, mit der aktuellen Situation besser umzugehen:
- Fördern Sie Kommunikation im Team!
Die Zusammenarbeit im Team, das auf Distanz arbeitet, wird durch fehlende oder zumindest (technisch) herausfordernde Kommunikation erschwert. Gerade deshalb ist es als Führungskraft wichtiger denn je, institutionalisierte Formen der Kommunikation im Team einzuführen und zu leben. Schaffen Sie für Ihre Teams Formate, die einerseits den regelmäßigen Austausch der Mitglieder ermöglichen und andererseits den persönlichen und informellen Kontakt aufrechterhalten. Vor allem Kommunikationskanäle, die Videokonferenzen ermöglichen (z.B. Skype, Zoom, Microsoft-Teams), können die Kommunikation intensivieren, da – gegenüber E-Mails – nonverbale Signale des Gegenübers gesehen und berücksichtigt werden können. Im Rahmen von virtuellen Kaffeerunden, einem gemeinsamen virtuellen Frühstück, Mittagessen oder Feierabendbier können Sie trotz Distanz das Bedürfnis des Teams nach sozialem Miteinander bedienen.
- Stellen Sie gemeinsame Regeln auf!
Gemeinsame Regeln erleichtern die Zusammenarbeit im Team, sorgen für Transparenz und schaffen Vertrauen sowie Sicherheit. Dazu gehören neben Kommunikationsregeln und der Etablierung von Besprechungs-Formaten und -routinen auch gemeinsame Regeln zur Erreichbarkeit und Bearbeitungsdauer, z.B. von E-Mails. Tägliche Team-Statusmeetings (nicht länger als 15 Minuten), sollten folgende Fragen klären: „Woran habe ich gestern gearbeitet?”, „Woran arbeite ich heute?”, „Wobei brauche ich Unterstützung/Zuarbeit von…” Darüber hinaus sollten Sie mit Ihrem Team die Kernarbeitszeiten definieren, in denen alle Teammitglieder im Home-Office anwesend und erreichbar sein sollten. Des Weiteren sollten Sie mit Ihrem Team absprechen, wann Besprechungen angesetzt werden und wann es Ruhephasen zum konzentrierten Arbeiten bedarf. Somit können Sie die Synchronisation der Zusammenarbeit fördern und Doppelarbeit vermeiden. Stellen Sie diese Regeln gemeinsam im Team auf, besprechen Sie diese immer wieder und passen Sie sie bei Bedarf an.
- Klären Sie Erwartungen!
Die Zusammenarbeit zwischen den Führungskräften und den einzelnen Mitarbeitenden basiert auf Erwartungen und Regeln, die ständig ausgehandelt werden und häufig unausgesprochen sind. Bei der Führung auf Distanz ändern sich die Rahmenbedingungen. Dies führt zu Unsicherheiten, da Sie als Führungskraft Ihre Erreichbarkeit nicht mehr durch eine „immer offen stehende Tür” signalisieren können. Dies birgt das Risiko für einen geringeren fachlichen Austausch, da die „Hürden“ größer werden, die Führungskraft z.B. telefonisch oder per Mail zu kontaktieren. In jedem Fall ändert sich das Kommunikationsverhalten und der Arbeitsalltag: Telefonate und E-Mails werden mehr. Das ist ungewohnt und führt unter Umständen zu mehr Stress. Besprechen Sie offen die Erwartungen und die Unsicherheiten in der neuen Situation mit Ihren Mitarbeitenden – sowohl einzeln als auch im Gesamtteam. Fragen Sie öfter: „Was brauchst du von mir?“ Machen Sie sich bewusst, dass am Anfang nicht alles perfekt läuft, sondern Missverständnisse und Reibungsverluste entstehen und das zur neuen Normalität dazugehört.
- Tolerieren Sie Fehler!
Generell ist die Gefahr, dass Missverständnisse entstehen, größer, wenn sich Menschen nicht physisch begegnen und der persönliche Austausch fehlt. Es ist unvermeidlich, dass Fehler gemacht werden, weil sich alle in der neuen, nie dagewesenen Situation erst einmal zurechtfinden müssen. Die Fähigkeit, aus gemachten Fehlern die richtigen Schlüsse zu ziehen und zu lernen, wird dabei umso wichtiger. Nehmen Sie eine Vorbildfunktion bei dem Umgang mit Fehlern ein. Hilfreich kann es sein, regelmäßige Meetings einzuberufen, in denen Sie gemachte Fehler beleuchten, ohne das Augenmerk auf Personen zu richten, die diesen begangen haben. Denn Fehler zeigen strukturelle Lücken im System, also am Arbeitsplatz, auf. Sie haben damit eine seltene Möglichkeit durch den Fehler eine Verbesserung in den Arbeitsabläufe zu erzielen. Dazu fragen Sie sich und Ihre Mitarbeitenden: „Warum ist der Fehler entstanden?“, „Was können wir daraus lernen?“, „Was muss in Zukunft anders gemacht werden?“ „Benötigen wir einen anderen Prozess?“ Schaffen Sie eine Fehlerkultur, indem Sie Ihre Mitarbeitenden dazu ermutigen, über gemachte Fehler im Team zu berichten. Wenn das Gefühl entsteht, dass mit Fehlern konstruktiv umgegangen und man nicht „an den Pranger gestellt“ wird, ist die Hemmschwelle geringer, Fehler transparent zu machen und daraus zu lernen. Es geht nicht darum, Fehler zu „beschönigen“, sondern darum, einen wertungsfreien Austausch darüber zu initiieren.
- Sorgen Sie für Vertrauen und Eigenverantwortung!
Vielen Führungskräften fällt die Vorstellung, die Mitarbeitenden nicht täglich sehen zu können, nicht leicht, da sie befürchten, ein Stück weit die Kontrolle zu verlieren. Fragen die unterbewusst bei Ihnen aufkommen können sind: „Was machen die Mitarbeitenden zu Hause?“, „Arbeiten sie wirklich?“, „Und wie kann ich das überprüfen?“ Auf Distanz müssen die Führungskräfte lernen, Kontrolle abzugeben, mehr zu vertrauen und mehr Eigenverantwortung zuzulassen. Ein stark hierarchischer Führungsstil, der stärker auf Kontrolle setzt, ist im Rahmen von dezentralem Arbeiten kaum möglich. Machen Sie sich klar, dass die reine Anwesenheitszeit von Mitarbeitenden im Büro keine Garantie für eine gute Arbeitsleistung ist. Führen Sie neue Instrumente der Leistungsmessung ein; denkbar ist es, gemeinsam mit den Mitarbeitenden entsprechende individuelle sowie Ziele für das Gesamtteam zu vereinbaren (z.B. Wochenziele oder Monatsziele). Das stärkt die Selbstverantwortung und die Verantwortung für das Gesamtergebnis. Bleiben Sie individuell mit den Mitarbeitenden in Kontakt und ermutigen Sie das Team dazu, Entscheidungen stärker selbst zu treffen. Letzteres erfordert Eigenverantwortung und stärkt wissenschaftlich nachgewiesen die Motivation (Hackman & Oldham, 1980)[1]. Somit können Sie auch während des virtuellen Arbeitens – wenn auch verändert – wichtige Führungsaufgaben ausführen, die für Orientierung, Überblick und Kontrolle sorgen.
- Sorgen Sie für Transparenz!
Für eine gute Zusammenarbeit im Team ist die Transparenz über die Arbeit der Kolleg*innen wichtig. Das vermeidet doppelte Arbeit, macht Fortschritte und Ergebnisse sichtbar und sorgt damit für eine Identifikation mit der Arbeit und dem Team, auch aus dem Homeoffice heraus. Ein gemeinsamer Kalender oder visuelle Projektmanagementtools wie Kan-Ban können hier hilfreich sein. In Besprechungen könnte jede*r Mitarbeiter*in über ihre/seine geleistete Arbeit sprechen. Es ist auch denkbar, dass ein kurzer Arbeitsbericht wöchentlich oder sogar täglich an die Führungskraft gesendet wird.
- Probieren Sie digitale Möglichkeiten aus!
Auch wenn es am Anfang fremd und vielleicht kein Ersatz für eine klassische Besprechung ist, lohnt es sich, die neuen digitalen Besprechungsformate zu nutzen und zu explorieren. IMAPs Erfahrungen zeigen, dass sich das Team schnell an die digitale Form gewöhnt, auch wenn am Anfang technisch nicht immer alles rund läuft. Für „digitale Neulinge“ gibt es einige „Kniffe“, mit denen digitale Besprechungen zu einem Erfolg werden: Die Kamera einzuschalten, macht Besprechungen persönlicher, störende Hintergrundgeräusche können durch ein Stummschalten des Mikrophons vermieden werden. Ein*e gemeinsam bestimmte*r, rotierende*r Moderator*in (engl. „Host“) navigiert durch die Agenda, achtet auf die Zeit und koordiniert Wortbeiträge. Der/die Protokollant*in (engl. „Harvester“) hält wichtige Informationen schriftlich fest und macht diese im Nachgang für alle auffindbar. Diese und weitere Erfolgsfaktoren könnten von dem virtuellen Team stets reflektiert, erweitert und festgehalten werden.
Bild Quelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/lebensmittel-teller-restaurant-frau-3874618/
[1] Hackman J.R., Oldham G.R. (1980). Work redesign. Reading, MA: Addison-Wesley.